Robert N. Bloch, Gerhard Lindenstruth (Hrsg.): Arcana 19

Verlag Lindenstruth, Giessen, Mai 2014
Geklammertes Magazin im A5-Format, Phantastik/Horror, ISSN: 1610-7373, 64 Seiten, 4,- EUR
Titelillustration: N.N. / Innenillustrationen: Björn Ian Craig, Thomas Franke, N.N.
https://www.verlag-lindenstruth.de

Die 19. Ausgabe des geschätzten Phantastik-Magazins „für klassische und moderne Phantastik“ der Herren Bloch und Lindenstruth beginnt gleich mit dem Höhepunkt, einer Kurzgeschichte des Hamburger Autors Ingo Scharnewski namens „1800“. Der schleierhafte Titel bekommt in der Schlusspointe seinen Sinn. Die gelungene Erzählung behandelt das Thema Reinkarnation, wird allerdings gänzlich ungewöhnlich aufgezäumt: Ein merkwürdiges Erlebnis aus seinen Kindertagen drängt sich plötzlich, 40 Jahre später, wieder in Arnes Bewusstsein. Damals hatte er – als gutgemeinte Warnung – dem Cousin seines Freundes eine verpassen wollen, doch es war ihm nicht möglich, den Kontrahenten mit seiner Faust zu treffen. Eine unsichtbare Barriere schien Clemens vor Arnes Fäusten zu schützen. Nun sucht er Clemens auf, einerseits um diese unrühmliche Episode auf vernünftige Weise aus der Welt zu schaffen und zweitens um seine wieder erwachte Neugier zu befriedigen. Das Experiment wird wiederholt und auch heute ist das Ergebnis das selbe, Clemens scheint unangreifbar. Erst eine Reise nach Rom und die Besichtigung der Überreste des Heiligen Vincenzo liefert Arne eine mögliche, wenn auch phantastische Erklärung der Ereignisse.

Ingo Scharnewski hat sich in den letzten Jahren mit einigen kleinen aber feinen phantastischen Erzählungen einen Namen gemacht, die hauptsächlich als Miniheftchen in der Reihe „BunTES Abenteuer“ (Hrsg. Gerd-Michael Rose) erscheinen. Auch „1800“ ist inzwischen als Band 41 dort erschienen.

Eine weitere zeitgenössische Geschichte liefert Peter Stohl. „Das Buch der tausend Geschichten“ handelt von einem Connaisseur seltener Bücher, der in einem versteckt gelegenen Antiquariat das lange gesuchte ‚Buch der tausend Geschichten’ findet und für das unverkäufliche Exemplar sogar einen Mord begeht. Wie von einer Droge kann er nicht von den Erzählungen des Buches lassen und in der Realität sieht er sich, seit er zum Mörder wurde, von dunklen Gestalten verfolgt.

Eine unspektakuläre Story, die bereits in unzähligen Varianten existiert und die eine originelle Wendung oder Pointe vermissen lässt.

Dass auch klassische Autoren nicht davor gefeit sind, ausgetretene Pfade zu begehen, beweist Bithia Mary Croker mit „Das verriegelte Fenster“, erschienen in „Österreichs Illustrierte Zeitung“, Jahrgang 1901/02, dort übersetzt von T. Geest. Hier suchen zwei Männer aus New York, die sich auf einer Urlaubsreise durch Mexiko befinden, verzweifelt eine Unterkunft für die Nacht. Nach anfänglicher Ablehnung lässt sich ein Gastwirt erweichen, den Freunden ein Zimmer zu geben. Das Zimmermädchen warnt die beiden, auf keinen Fall das Licht zu löschen. Es kommt wie es kommen muss und einer der beiden wird in der Dunkelheit von riesigen Händen gewürgt. Der Angreifer verschwindet, sobald das Licht wieder entzündet wird. Die beiden erfahren vom Vorbesitzer des Gasthofes, der in eben jenem Zimmer seinen Gästen gerne den Garaus gemacht und sich nach seiner Überführung dort erhängt hat.

Auch diese Geschichte über ein verfluchtes Zimmer, ein nicht eben rar gesätes Thema der Phantastik, kann wegen ihrer Vorhersehbarkeit und ihrer belanglosen Ausführung nicht wirklich überzeugen.

In der abschließenden Erzählung „Acllaccuna“ von Leo am Bruhl (erschienen 1927 in „Österreichs Illustrierte Zeitung“) sieht sich Geheimrat M. gegenwärtig außer Stande, die regelmäßige Schachpartie mit seinem Freund zu bestreiten. Zu sehr werden seine Gedanken noch von dem unerklärlichen Tod eines seiner Patienten in Anspruch genommen. Dieser soll ein Jahr zuvor in einer Inka-Pyramide in Kontakt mit einem unbekannten Gift gekommen sein, das nun, exakt 365 Tage nach der Kontamination, zu seinem unabwendbaren Tod geführt hat. Genau wie es die Sage der Einheimischen prophezeit.

Eine kurz-knackige Geschichte, die einige gute Gänsehaut-Bilder dabei hat, als die verhängnisvollen Mumien in der Inka-Pyramide entdeckt werden.

Den Sekundärteil bestreitet Robert N. Bloch mit einer Vorstellung der „Weird Fiction Times“, dem ‚ersten deutsche Fanzine zur unheimlichen Phantastik‘. Hefte, die heute ‚kaum noch auffindbar‘ sind, sich aber offenbar im Zugriff des Verfassers befinden. Nach einer kurzen Einführung, die über das Vorgängermagazin „Ganymed Horror“ und die seltsame Nummerierung aufklärt, erfolgen kurze Inhaltsangaben der einzelnen Nummern und die knappe persönliche Meinung des Verfassers. Insgesamt handelt es sich um 17 Ausgaben „Ganymed-Horror“ (teilweise Doppel- und Dreifach-Nummern) und 5 Ausgaben „Weird Fiction Times“ (inkl. Coverabbildungen).

Es ist beachtenswert, was Herausgeber Uwe Anton (heute als SF-Autor und Übersetzer tätig) und seine Mannschaft da in den Jahren 1972 – 77 auf die Beine gestellt haben, als das Internet als Recherchetool noch pure Science-Fiction war: Deutsche Erstveröffentlichungen amerikanischer Weird Tales-Autoren. Sekundärbeiträge zu angloamerikanischen Horrorautoren und Rezensionen, die offenbar überwiegend die gewinnorientierte Ausrichtung der Buchverlage und die Verdummung durch den Konsum von Groschenromanen anprangerten. Sehr amüsant zu lesen.

Abgerundet wird das „Arcana 19“ von Rezensionen zu Lafcadio Hearns „Kwaidan“, Sergio Fritz-Roas „Jenseits des Abgrunds“, Malte S. Sembtens „Maskenhandlungen“ und Daniel Schenkels „Die Muerenberg Chroniken“.

Alles in Allem kann „Arcana“ 19 hauptsächlich wegen der dünnen Storybeiträge nicht vollständig begeistern, auch wenn der gepflegte Enthusiasmus der Herausgeber grundsätzlich nicht hoch genug zu bewerten ist.

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