Die Zeit der Wölfe

Originaltitel: The Company of Wolves
Palace Pictures, ITC Entertainment, UK, 1984
Edel Entertainment / Pandastorm, Berlin, 24.05.2024
Mediabook (4K Ultra HD + Blu-ray Disc), Fantasy/Märchen, 95 Min. (Film), EAN: 4260428053996, gesehen 06/24 für EUR 31,99
Bildformat: 1,66:1 / 2160p24 / HEVC Dolby Vision
Sprachen, Tonformat: Deutsch DTS-HD Master Audio 5.1, Englisch DTS-HD Master Audio 5.1, Untertitel: Deutsch
Regie: Neil Jordan
Drehbuch: Neil Jordan, Angela Carter
Vorlage: Angela Carter
Darsteller: Sarah Patterson, Angela Lansbury, Stephen Rea, David Warner, Tusse Silberg, Micha Bergese, Brian Glover, u.a.
Altersfreigabe: FSK ab 16
http://www.pandastorm.com

STORY
Die junge Rosaleen (Sarah Patterson) verliert sich in einem unruhigen Traum, in dem die widerstreitenden Gefühle, die mit ihrem sexuellen Erwachen verbunden sind, symbolhaft in eine Märchenwelt übertragen sind. Dort lebt sie mit ihren Eltern in einer kleinen Dorfgemeinschaft inmitten eines mittelalterlich anmutenden Waldes. Ihre Großmutter (Angela Lansbury „Mord ist ihr Hobby“) ist stets bestrebt, das Mädchen buchstäblich auf dem rechten Pfad zu halten. Die alte Dame weiß ihrer Enkelin einige Geschichten zu erzählen, die für Rosaleen als Warnung dienen sollen. Trotz der abschreckenden Inhalte üben die Fabeln einen Reiz auf die junge Frau aus, den sie sich selbst nicht erklären kann. Als sie auf dem Weg zum Haus ihrer Großmutter schließlich selbst von einem vermeintlich ehrenhaften Jäger umgarnt wird, lässt sie sich auf die Herausforderung ein, wer von beiden zuerst dort ankommt.

MEINUNG
Mit „Die Zeit der Wölfe“ hat Regisseur Neil Jordan („The crying Game“, „Interview mit einem Vampir“) bereits zu Beginn seiner Karriere ein intensives und symbolschwangeres Meisterwerk abgeliefert, das auch heute nichts von seinem Reiz verloren hat. Ist man zunächst ob der erkennbaren Kulissen und der Theaterhaftigkeit noch amüsiert, wird man unversehens in die traumhafte Handlung hineingezogen, die plötzlich eine spürbare Dichte entwickelt.

Zunächst ist man fasziniert vom Übergang der realen Welt in Rosaleens Traumwald, in dem sie sich an den stark vergrößerten Spielfiguren aus ihrem Kinderzimmer vorbei bewegt. Bereits ein erster Hinweis, dass hier die Kindheit hinter sich gelassen wird. Im Finale kommt es zu einer Spiegelung der Szene, in der Elemente aus der Traumwelt machtvoll in das Kinderzimmer einbrechen.
Unschwer zu erkennen, geht es jedoch hauptsächlich um die Frauwerdung und das Ende der Unschuld. Nicht umsonst nimmt die Traum-Rosaleen im letzten Akt mehr als deutlich die Rolle des bekannten Rotkäppchens ein. Angela Carter sein Dank spielt sich die Geschichte jedoch nicht moralinsauer aus, sondern präsentiert am Ende eine wehrhafte und selbstbestimmte Frau, die es mit den vermeintlich bösen Männern mühelos aufnehmen kann.

Der Weg dahin ist in mehreren Belangen außerordentlich kunstvoll gestaltet. Schon allein die Struktur auf drei Handlungsebenen – die träumende Rosaleen in der Realität, Rosaleens Traum und die in den Traum eingebetteten Erzählungen – machen den Film erzählerisch ungemein interessant. Zusätzlich wird das Konstrukt innerlich gestärkt, da einzelne Elemente in verschiedenen Erzählebenen auftauchen, wo sie je nach Kontext eine ganz andere Bedeutung haben.

Obwohl die Protagonistin ein (vor)pubertäres Mädchen ist, könnte „Die Zeit der Wölfe“ für dieses Alter hier und da verstörend wirken. Neben einigen surrealen Sequenzen gibt es relativ zu Beginn schon eine erstaunlich amtliche und blutige Verwandlungsszene, in der Stephen Rea vom Mann zum Wolf wird. So kann der Film, auch wenn er eine andere Zielrichtung verfolgt, neben „American Werewolf“ und „Das Tier“ als vollwertiger Teil dieser losen 1980er Werwolftrilogie gesehen werden.

Auf Darstellerseite ist es mehr als schade, dass ausgerechnet Sarah Patterson keine große Karriere beschieden war. Die damals 12jährige zeigt als Rosaleen eine derart beeindruckende Leistung, dass manche sie heute noch in ihrer Erinnerung mit Jennifer Connelly (aus „Die Reise ins Labyrinth“) verwechseln. Flankiert wird die Jungschauspielerin neben Angela Lansbury und dem noch recht jungen Stephen Rea („The crying Game“) von einigen gestandenen Schwergewichten wie David Warner und Terence Stamp (zuletzt „Last Night in Soho“).

Zum 40. Jubiläum legt Pandastorm Pictures den Klassiker in einem schmucken Mediabook mit 4K Ultra HD, Blu-ray Disc und jeder Menge Extras auf. Mehrere Audiokommentare, Interviews und ein Essay von Filmwissenschaftler Marcus Stiglegger machen Paket zu einer mehr als empfehlenswerten Anschaffung.

FAZIT
Kunstvoll faszinierende und symbolstarke Parabel auf das sexuelle Erwachen einer jungen Frau, wobei die Vorlagenautorin Angela Carter bekannte Märchenmotive auf erfrischende Art modernisiert.

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